Zwei Hunde, zwei Städte, zwei Stimmen: eine männlich, eine weiblich. „Miroase a paradis“, das dogumentary von Ovidiu Anton und Alexandru Balasescu, präsentiert eine einfache und übersichtliche Versuchsanordnung: Ein Straßenköter aus Bukarest, der Metropole, die lange Zeit als Stadt der streunenden Hunde bekannt war, wird nach Wien adoptiert und unter den Bedingungen eines zivilisatorisch und bürokratisch geregelten Umgangs mit Tieren domestiziert. Die parallel montierte Gegengeschichte ist jene einer Hündin aus Wien, die mit ihren Besitzern in die rumänische Hauptstadt kommt, dort entweicht und im urbanen Dschungel des postsozialistischen Milieus mit seinen Verrohungs- und Verwilderungstendenzen Schritt für Schritt die Lebensform eines freilaufenden Tieres ohne Anbindung an menschliche Schutz- und Ernährungsfunktionen erlernt.
Diese Geschichte wird von den Tieren aus ihrer Perspektive erzählt und mit Kommentaren, Apercus und philosophischen Spekulationen über das Zusammenleben von Hund und Mensch und über Themen wie Exil, Migration, Stadtplanung und politische Machtverhältnisse ausgestattet.
Anthropomorphisierung als Verfremdungseffekt, aber auch als künstlerischer Versuch, die
Grenze zwischen Mensch und Tier aufzulösen und eine Form des Miteinander zu
insinuieren, die auf Enthierarchisierung des Verhältnisses zielt. Durchaus im Sinne von
Jacques Derrida, der in der Tierphilosophie seiner letzten Lebensjahre die in der
philosophischen Tradition verankerte logozentrische Herrschaftsposition des Menschen,
die dessen potentielle Animalität auslöschen will, in Frage stellt. Derrida versucht diese
Grenzlinie zwischen Menschenwelt und Tierreich, die mal als Schutzwall, mal als Abgrund
das eine vom anderen trennt, ausfransen zu lassen, sie zu verfalten und zu vervielfachen
und solcherart einen Interferenzbezirk zwischen Tier- und Menschenwelt zu eröffnen.
„Miroase a paradis“ siedelt sich genau in dieser Twilight Zone an, wo Tiere zu sprechen
beginnen – Animot, die Tiere als Wort – und Menschen als Tierhalter verstummen.
Entfesselte Handkameras folgen den Hunden auf ihren Routinen, die im Falle von Wien
vom Menschen vorgegeben werden, im Falle von Bukarest jedoch selbstgewählt sind.
Reterritorialiserung versus Deterritorialisierung. Die Stimmen verbinden sich mit der
Bewegung, ohne mit ihr eins zu werden und stellen im Rahmen einer Dialektik von
Domestizierung und Auswilderung Fragen nach der existentiellen Geworfenheit, der
transzendentalen Behaustheit und nach den Bedingungen der Freiheit.
Am Ende stellt sich die unangenehme Erkenntnis ein, dass Janis Joplin vielleicht doch recht hatte: „Freedom`s just another word for nothing left to lose.“
Die Idee zum Film von Ovidiu Anton und Alexandru Bălăşescu gewann den Hauptpreis beim Wettbewerb "Create Your Bucharest" im Rahmen der Vienna Biennale 2015 im MAK Wien. Die Produktion des Films 'Miroase a paradis – Über Damals, Jetzt und die Freiheit' wurde vom österreichischen Bundeskanzleramt für Kunst und Kultur gefördert, ebenso vom Otto Mauer Fonds und von Brenntag Rumänien.
Die Filmpräsentation im neuen Projektraum KOENIG2_by robbygreif wird vom Rumänischen Kulturinstitut in Wien unterstützt.
Schleifmühlgasse 1A, 1040 Vienna
office@christinekoeniggalerie.at
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